Petra

Die antike Stadt aus rotem Fels

Petra (altgriechisch Πέτρα [ˈpɛtʁa] „Felsen, Felsmassiv“, arabisch البتراء al-Batrā’, nabatäisch wahrscheinlich Reqmu „die Rote“), eine Ruinenstätte im heutigen Jordanien, war in der Antike die Hauptstadt des Reiches der Nabatäer. Wegen ihrer monumentalen Grabtempel, deren Fassaden direkt aus dem anstehenden Fels gemeißelt wurden, gilt sie als einzigartiges Kulturdenkmal.

Östlich der Aravasenke, auf halbem Weg zwischen dem Golf von Akaba und dem Toten Meer, liegt Petra auf einer Höhe zwischen 800 und 1350 m in einem weiten Talkessel im Bergland von Edom. Dank ihrer strategisch günstigen Lage am Kreuzungspunkt mehrerer Karawanenwege, die Ägypten mit Syrien und Südarabien mit dem Mittelmeer verbanden, war die Stadt vom 5. Jahrhundert vor bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. ein bedeutender Handelsplatz. Insbesondere kontrollierte Petra einen wichtigen Knotenpunkt der Weihrauchstraße. Diese uralte Handelsroute führte vom Jemen aus an der Westküste Arabiens entlang und teilte sich bei Petra in einen nordwestlichen Zweig, der nach Gaza und in einen nordöstlichen, der nach Damaskus führte.

Zur verkehrstechnisch günstigen Lage kamen die Vorteile der besonderen Topographie. Zum einen liegt Petra versteckt und gut geschützt zwischen schroffen Felswänden. Der Ort ist nur über einen schmalen Gebirgspfad von Nordwesten zugänglich oder von Osten her durch eine etwa 1,5 Kilometer lange und etwa 70 Meter tiefe Felsschlucht, den Siq (deutsch „Schacht“), der an seiner engsten Stelle nur 2 Meter breit ist. Zum anderen verfügte Petra in der Antike über eine sichere Wasserversorgung. Brauch- und Trinkwasser wurden über in den Fels gemeißelte Aquädukte in die Stadt geleitet sowie durch Terrakottaröhren, die ebenfalls in die Felswände eingelassen und mit Gips abgedichtet waren. Das höchst komplexe Wasserversorgungssystem, das mehr als 200 Zisternen umfasste, speiste sich aus allen bekannten Wasserquellen im Umkreis von mehr als 25 Kilometern um die Stadt.

Die enge Verbindung von Fels und Wasser in der Region ließ die Legende entstehen, Petra sei der Ort gewesen, an dem Mose beim Exodus des Volkes Israel aus Ägypten mit dem Schlag seines Stabes eine Quelle aus dem Stein habe sprudeln lassen. Die Region um Petra trägt daher den Namen Wadi Musa (deutsch „Mosestal“). Tatsache ist, dass die Nabatäer mit ihren Fähigkeiten in der Wasserbewirtschaftung eine künstliche Oase und damit eine wesentliche Voraussetzung für Blüte und Wachstum der Stadt schufen.

Sichere Wasserversorgung und sichere Lage machten Petra zu einer bevorzugten Station für Karawanen aus dem Süden Arabiens, die überwiegend mit Luxusgütern für Abnehmer aus dem gesamten Mittelmeerraum beladen waren: mit Gewürzen aus Indien und Seide aus China, Elfenbein aus Afrika, Perlen aus dem Roten Meer und Weihrauch aus dem Süden Arabiens. Das Harz des Weihrauchbaums war in der gesamten antiken Welt als besonders kostbare religiöse Opfergabe und als Arzneimittel begehrt. In umgekehrter Richtung gelangten über Petra Waren aus der Levante, etwa Goldschmiedearbeiten aus Aleppo, zu den Märkten des Jemen und Omans. Zwischenhandel und Zölle warfen für die Nabatäer hohe Gewinne ab.

Neben Bosra in Syrien und der Handelsmetropole Hegra, dem heutigen Mada’in Salih in Saudi-Arabien gehörte Petra zu den drei bedeutendsten Städten des Nabatäerreichs.

Wie die Nabatäer ihre Hauptstadt selbst genannt haben, lässt sich bis heute nicht zweifelsfrei klären. Nach einem nicht völlig gesicherten Zeugnis, den Antiquitates Judaicae des Flavius Josephus, lautete ihr Name Reqem, Reqmu oder Rakmu (deutsch „die Rote“, „die Bunte“), was eine Anspielung auf die rötliche Färbung des Sandsteins von Petra gewesen sein könnte.

Das Alte Testament erwähnt im Buch Richter (1,36) und im 2. Buch Könige (14,7) einen Ort in Edom namens Sela (deutsch „Fels“ oder „Stein“). Es ist aber umstritten, ob dieser Ort mit der Nabatäermetropole identisch ist, die bei Strabon und Plinius dem Älteren für die Zeit nach 169 v. Chr. unter dem griechischen Namen Petra bezeugt ist, der ebenfalls „Fels“ bedeutet. In der hellenistischen Welt gab es viele weitere Orte gleichen Namens.

Nach archäologischen Befunden war das Hochtal von Petra schon in der Altsteinzeit zeitweilig und seit der Jungsteinzeit – etwa ab 9000 v. Chr. – dauerhaft besiedelt.

Im 3. Jahrhundert v. Chr. wurde die Zeltstadt allmählich von festen Bauten abgelöst. Gleichzeitig scheint sich auch die politische Macht verfestigt und eine stabile Königsherrschaft herausgebildet zu haben. Deren erster bekannter Vertreter war der für das Jahr 168 v. Chr. im 2. Buch Makkabäer erwähnte Aretas I. Ihm und seinen Nachfolgern gelang es, sich gegen das ptolemäische Ägypten zu behaupten und den Einflussbereich Petras auf Kosten des Seleukidenreichs immer weiter auszudehnen. Gleichzeitig zeigten sich die Nabatäer offen für die kulturellen Einflüsse ihrer hellenistisch geprägten Umgebung.

Seine größte Machtentfaltung erfuhr das Nabatäerreich während der Regierungszeit des Königs Aretas III. Philhellenos (87–62 v. Chr.).

Der Wohlstand der Stadt wuchs weiter und die Bauten nahmen seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. immer monumentalere Formen an. Zur Zeit Aretas IV. (9 v. Chr. bis 40 n. Chr.) entstand der Haupttempel als repräsentativer Bau im Zentrum der Stadt. Schätzungen gehen davon aus, dass Petra damals etwa 30.000 bis 40.000 Einwohner zählte.

Petras allmählichen Niedergang hatte jedoch schon einer der Vorgänger Aretas’ IV. eingeleitet. Malichus I. (59–30 v. Chr.) hatte sich zeitweise mit den Parthern gegen Rom verbündet. Die Römer förderten daher in der Folgezeit den Schiffsverkehr auf dem Roten Meer und legten Karawanenwege an, die Petra im Norden umgingen. Der letzte Nabatäerkönig, Rabbel II. (70–106), trug dem Rechnung, indem er die Hauptstadt in den Norden, nach Bostra im heutigen Syrien, verlegte. Kaiser Trajan besiegte die Nabatäer im Jahr 106 endgültig und gliederte ihr Reich als neugeschaffene römische Provinz Arabia Petraea mit der Hauptstadt Bostra ins Römische Reich ein.

Die große Zeit der Stadt aber war vorüber. Nach mehreren schweren Erdbeben in den Jahren 363, 419, 551 und 747 sowie nach der Eroberung der Region durch die Muslime 636 verließen die letzten Einwohner im Mittelalter die Stadt.

Seit der Zeit der Kreuzzüge hatte kein Europäer Petra mehr betreten. Um 1800 wussten nur noch wenige Gelehrte gerüchteweise von einer legendären, „aus dem Fels herausgeschlagenen Stadt“ im Nahen Osten. Für Europa wurde Petra erst 1812 von dem Schweizer Arabienreisenden Johann Ludwig Burckhardt[2] neu entdeckt. Mehr als 100 Jahre später schrieb Thomas Edward Lawrence (Lawrence von Arabien) in seinem Werk Die sieben Säulen der Weisheit: „Petra ist der herrlichste Ort der Welt.“ Er war aber der Meinung, jede Beschreibung müsse vor dem eigenen Erleben der Stadt verblassen.

Archäologische Ausgrabungen in Petra erfolgten erst seit den 1920er Jahren. Wenig später begann auch die touristische Erschließung der Ruinenstätte.